Bonsoir !
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Das neue Schuljahr hatte bereits begonnen, als Mitte September Fräulein Nitzschke, die Klassenlehrerin, in der dritten Stunde mit einem Neuen in der Klasse erschien. Sie ging mit dem Neuen nach vorne zum Lehrertisch, setzte sich und wartete, bis Ruhe eingetreten war.
„Wir haben einen neuen Mitschüler bekommen“, sagte Fräulein Nitzschke endlich, „er wird sich selber vorstellen.“ Sie blickte den Jungen freundlich an.
Der Neue warf einen kurzen Blick zu der Lehrerin, dann murmelte er etwas, ohne jemanden anzusehen.
Die Klasse wurde jetzt unruhig. Er hatte seinen Namen so leise gesagt, dass ihn kaum einer verstand. Einer von uns schrie „Lauter!“, und andere lachten. Was wir sofort begriffen hatten, war, dass er einen dieser rauen , ostdeutschen Dialekte sprach. Alle hatten mitbekommen, dass wieder ein Vertriebener aus Pommern oder Schlesien in unsere Schule gekommen war.
„Ja, Bernhard Haber“, sagte Fräulein Nitzschke ungerührt von dem Lärm der Klasse. Dann wandte sie sich an die Klasse: „Bernhard ist ein Jahr älter als ihr. Er kommt aus Polen und konnte in den letzten Jahren nur unregelmäßig eine Schule besuchen, ich denke, ihr werdet ihn alle nach besten Kräften unterstützen.
„Ein Polacke“, sagte ein Junge aus einer der hinteren Reihen halblaut.
„Das war sehr, sehr hässlich“, sagte Fräulein Nitzschke, „und ich will dieses dumme Wort nie wieder hören. Nie wieder! Habt ihr verstanden? Und Bernhard ist kein Pole, er ist ein Deutscher genauso wie wir.“
Nach der Pause kam Herr Voigt, der Mathematiklehrer in die Klasse. Er ließ seinen Blick langsam durch die Klasse gleiten, er wirkte stets wie ein Greifvogel auf der Suche nach einer Beute. Als er den neuen Schüler bemerkte, betrachtete er ihn amüsiert von oben bis unten. „Ein Neuer“, stellte er höhnisch fest. „Und wie heißt du?“
Ohne die Antwort abzuwarten, schlug er das Klassenbuch auf und las die dort eingetragenen Bemerkungen über Bernhard Haber laut vor.
„Du bist schon zehn Jahre alt, sososo. Na, wenn man dich in die dritte Klasse steckt, wird es mit deinen Rechenkünsten nicht weit her sein, oder?“
Die ganze Klasse amüsierte sich. Der neue Schüler hatte seine Hände auf den Tisch gelegt, sah vor sich hin und antwortete nichts.
„Steh auf, wenn ich mit dir rede. Und sieh mich an. Bist du mit deinen Eltern hierher gekommen?“
„Ja.“
„Na, wenigstens kein Waisenkind . Mit denen haben wir ja nichts als Ärger. Hat deine Familie eine Wohnung? Ein Zimmer?“
„Ja.“
„Schön. Und hat dein Vater Arbeit?“
„Nein. Noch nicht.“
„Da lebt ihr also auf Kosten der Stadt. Was hat dein Vater für einen Beruf?“
„Er ist Tischler.“
„Gut. Tischler, das ist gut. Wenn er fleißig ist, wird er schnell etwas finden. Tischler werden gebraucht. Oder arbeitet er nicht gerne, dein Vater? Das gibt’s ja auch.“
Der Neue stand mit hängendem Kopf an der Bank. Er war hochrot im Gesicht.
„Und woher kommt ihr? Wo bist du geboren, Junge?
„In Breslau.“
„Was sagst du?“
Herr Voigt starrte ihn mit aufgerissenen Augen an, dann hielt er eine Hand an sein rechtes Ohr und sagte nochmals: „Was hast du gesagt?“
„Wir kommen aus Breslau.“
Herr Voigt schüttelte den Kopf und sah entrüstet in die Klasse. Dann streckte er die Hand aus und zeigte auf ein Mädchen: „Kathrin, wie heißt die Stadt, aus der der Neue kommt?“
„Wroclaw“, sagte das Mädchen.
Herr Voigt nickte zufrieden. Dann wandte er sich wieder an den neuen Schüler. „Oder meinst du, in Italien leben heute die Römer? Nein, die Italiener. Merk dir das. Und Istanbul nennt ihr in Hinterpommern wohl immer noch Konstantinopel oder Byzanz, wie? Und du kommst aus Wroclaw. Hast du verstanden?“
Bernhard Haber sah Herrn Voigt unverwandt in die Augen. Er zeigte keine Reaktion.
„Also, noch einmal. Wo kommst du her?“
„Aus Wroclaw.“
„Richtig. Setz dich endlich hin. Wir wollen mit dem Unterricht beginnen.“
Berhard Haber blieb trotzig neben seinem Stuhl stehen. Bevor er sich hinsetzte, sagte er rasch: „Aber geboren wurde ich in Breslau.“
Nach Christoph Hein, „Landnahme“, 2004 (S. 15/16)
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