Modern, einflussreich, genießerisch
Was die Deutschen von Frankreich und den Franzosen halten. Eine Umfrage von ZEIT, Phoenix und der französischen Botschaft.
Ach, diese Franzosen! Wenn man bloß wüsste, was von ihnen zu halten ist. Sympathisch bis sehr sympathisch sind sie, da sind sich - quer durch alle Altersgruppen - 83 Prozent aller Deutschen einig, im Osten Deutschlands sind die Sympathiewerte sogar höher als im Westen. Aber was heißt schon sympathisch? Und wo steht eigentlich Frankreich heute? Gehen seine Uhren immer noch anders, wie es der Schweizer Autor Herbert Lüthy vor Jahrzehnten durchaus mit Wohlwollen beschrieben hat? Zusammen mit dem Dokumentationskanal Phoenix und mit der Französischen Botschaft in Berlin hat die ZEIT eine Meinungsumfrage in Auftrag gegeben, um zu erfahren, was die Deutschen heute über ihren Nachbarn denken.
Viel Positives, heißt eine erste Antwort, aber auch Widersprüchliches. Sehr hohe Zustimmung erhalten Eigenschaften wie « genießerisch » und « geistreich », schließlich gelten sie traditionell als französische Primärtugenden. Dass über 81 Prozent der Befragten erklären, sie hielten die Franzosen für herzlich, und nur 17,5 Prozent die Nachbarn als kühl empfinden, ist wohl das erfreuliche Ergebnis zahlloser Begegnungen und persönlicher Erfahrung.
Andererseits verbinden die Bundesbürger spontan mit Frankreich überwiegend so angenehme Dinge wie schönes Land, nette Menschen, Paris mitsamt dem Eiffelturm, Urlaub (bevorzugt am Mittelmeer oder in Südfrankreich). Natürlich fehlen da nicht die Freuden guten Essens und Trinkens, und wenig verwunderlich ist auch, dass gerade Ess- und Trinkkultur wie überhaupt die Lebensart der Franzosen einen starken Einfluss auf Deutschland ausüben (was auch für Mode und Malerei gilt, viel weniger für Literatur und Theater).
Aber entspricht das nicht den klassischen Klischeevorstellungen von Frankreich? Mag sein, doch das Frankreichbild der Deutschen erschöpft sich nicht mehr in der einst von einem Friedrich Sieburg mit Hingabe (und nicht ohne Überheblichkeit) verbreiteten Vorstellung von einem Land, das seinen Charme aus der Rückständigkeit bezieht. Frankreich wird zunehmend auch als modernes Land wahrgenommen, als Land des Fortschritts und einiger technologischer Spitzenleistungen. Über 60 Prozent der Befragten gaben zu Protokoll, nach ihrer Meinung sei Frankreich in den letzten Jahren stark modernisiert worden; sogar 86 Prozent halten Frankreich für ein Land, in dem die Kreativität zu Hause ist. Dabei gelten Luft- und Raumfahrt sowie die Hochgeschwindigkeitszüge als besonders modern - nicht allerdings französische Autos und schon gar nicht die Umwelttechnologie.
Auch das politische Image Frankreichs wandelt sich. Frankreichs politischer Einfluss in der Welt, das glauben über 70 Prozent der Befragten, ist groß oder sogar sehr groß. Eine Mehrheit ist zudem der Meinung, dass Frankreich viel zum Schutz der Menschenrechte beiträgt. Vorbei die Zeiten, als Paris in die antieuropäische Ecke gestellt wurde. Heute stimmen zwei von drei Befragten dem Satz zu, Frankreich trage besonders zum Aufbau Europas bei. Daraus ziehen allerdings lediglich 48 Prozent der Befragten den Schluss, Deutschland und Frankreich sollten stärker als Motor der Einigung Europas wirken. Mag sein, dass so mancher Bürger das Maß an Gemeinsamkeit bereits für ausreichend, wenn nicht ausgeschöpft hält.
Zählt man zu den Befürwortern eines noch stärkeren deutsch-französischen Motors diejenigen dazu, die für eine unveränderte Fortsetzung der gemeinsamen EU-Politik plädieren, dann kommt man auf stattliche 87 Prozent. Bevorzugte Gebiete verstärkter deutsch-französischer Zusammenarbeit: die Außen- und Sicherheitspolitik, Umweltschutz und Sicherheit der Nahrungsmittel, Kampf gegen die Kriminalität, Wirtschafts- und Forschungspolitik. Wo es um Asylpolitik und EU-Osterweiterung geht, halten die Bundesbürger offensichtlich weniger von mehr Gemeinsamkeit.
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