Landpartie im Burgenland
Wein und Puszta, 300 Sonnentage im Jahr und Europas größter Steppensee: Durch Österreichs Osten weht ein Hauch von Ungarn
Was liegt im Osten, ist deutschsprachig, besteht aus blühenden Landschaften und ist ein neues Bundesland? Falsch. Zumindest, wenn Ihre Antwort Mecklen- oder Brandenburg, Thüringen oder Sachsen mit und ohne Anhalt lautet. Nein, gemeint sind nicht die föderalen Neuzugänge in Deutsch-Ost, sondern das östlichste und jüngste Bundesland Österreichs, das Burgenland. Ganz so neu wie die deutschen Neuländer ist es nicht, denn es wechselte nicht erst 1990 die Seiten, sondern 1921, nachdem es zuvor über Jahrhunderte zur ungarischen Reichshälfte der k. u. k. Monarchie gehört hatte.
Das Burgenland ist denn auch ganz anders als der Rest von Österreich. Keine Alpengipfel, keine Schuhplattler, keine Bergbauern, keine Jodler. Das Land ist eher flach, allenfalls mittelgebirgig, und hat mit dem Neusiedler See Europas größten Steppensee zu bieten. An seinem Ostufer beginnt die pannonische Tiefebene - es ist dies die einzige Ecke Österreichs mit echter Puszta, durch die ein Hauch von Ungarn weht. Eine Entdeckung!
Und wie es sich für die Puszta gehört, scheint hier die Sonne länger und öfter als anderswo in Mitteleuropa: Das Burgenland kommt Jahr für Jahr auf 2000 Sonnenstunden an über 300 Sonnentagen. Was nicht nur Sonnenanbeter freut: Das heiße Klima sorgt für reiche Traubenernten. Und weil man aus dem Glykolskandal der 80er-Jahre Konsequenzen gezogen und die strengsten Weinbaugesetze der Welt verabschiedet hat, bringt die Region heute Aufsehen erregende Weine hervor. Ergo: Es gibt viel zu sehen und zu genießen. Am besten durchstreifen Sie das Burgenland von unten nach oben, starten also in der Hügellandschaft des Südens und arbeiten sich gen Norden vor.
STEGERSBACH (START)
Der Süden vermarktet sich in seinen bunten Prospekten als « Thermenwelt » und als « Wein-Idylle ». Das klingt ziemlich hochtrabend, doch tatsächlich gibt es hier die schönsten Wellness-Oasen des Burgenlandes. Zum Beispiel in Stegersbach, wo sich das « Birdie Resort », eine malerisch gelegene Vier-Sterne-Anlage, als Ausgangspunkt anbietet - mit dem 45-Loch-Golfplatz Lafnitztal direkt vor der Haustür und einer hoteleigenen Therme, die von Aqua-Joggen bis zu Aromamassagen jeden Wellness-Wunsch erfüllt (Tel. 0043/3326/50 00).
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GÜSSING (18 KM)
Jetzt aber auf ins Hinterland, zur Burg Güssing, die auf einem erloschenen Vulkan thront. Der Aufstieg über steile Serpentinen ist mühsam, doch er lohnt sich: Wegen des Ausblicks bis weit hinüber nach Ungarn, und wegen des gut bestückten Burgmuseums. Seinen Namen hat das Burgenland übrigens nicht von seinen vielen Burgen, von denen es über 60 im Land gibt, sondern von vier Städten, die alle auf « burg » enden: Pressburg, Ödenburg, Wieselburg und Eisenburg. Deshalb sollte die Region ursprünglich auch Vierburgenland heißen, doch der Name wurde verworfen, weil am Ende keine der vier Städte im österreichischen Burgenland landete. Auch Ödenburg nicht, obwohl der Ort von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs ursprünglich als burgenländische Hauptstadt bestimmt worden war.
HEILIGENBRUNN (12 KM)
Weiter in den Südostzipfel, nach Heiligenbrunn. Das Dorf hat zwei Highlights zu bieten: Zum einen sein uriges Kellerviertel - eine Gasse aus über 120 weiß gekalkten, meist strohgedeckten Weinkellern, in denen seit Jahrhunderten Wein gelagert wird und die sich im Sommer in urige Buschenschenken verwandeln. Ein « Wein-Idyll » im Wortsinn. Und, zweitens, den Uhudler. Das ist ein heller Rotwein, der aus unveredelten Rebsorten gekeltert wird. Bis 1992 war er offiziell verboten wegen seiner rabiaten, angeblich gesundheitsschädigenden Wirkung. In ganz Österreich hielt man sich daran, nur in Heiligenbrunn nicht. Dort wollte man auf den fruchtig-beerigen Uhudler nicht verzichten, produzierte und trank ihn heimlich und konnte schließlich auch die Obrigkeit in Wien überzeugen, den Rebensaft zu legalisieren.
EISENBERG (25 KM)
Auf der « Weinroute Burgenland » geht es Richtung Norden, zum Eisenberg. Auf den mineralischen Böden, wo schon Kelten und Römer Weinbau betrieben, gedeihen vor allem rote Trauben. Welch wunderbare Blaufränkisch, Zweigelt und neuerdings auch Syrah hier gekeltert werden, probieren Sie am besten in der Vinothek « Vinum Ferreum » in Eisenberg (Tel. 0043/3365/24 39, www.vinum-ferreum-at). Die Rotweine von Krutzler und vom Schützenhof zählen zu den besten Österreichs.
BERNSTEIN (46 KM)
Zwischenstopp auf Burg Schlaining. Das aufwendig restaurierte Gemäuer beherbergt heute das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktforschung, das im ältesten Teil der Ritterburg ein sehenswertes Friedensmuseum eingerichtet hat. Weiter geht die Fahrt durch leicht gewelltes Land, bis plötzlich auf einer Anhöhe Burg Bernstein sichtbar wird, deren Ursprünge auf das 13. Jahrhundert zurückgehen. Das Anwesen ist bis heute im Familienbesitz und birgt seit 1953 ein Schlosshotel der Meisterklasse: Zehn Zimmer, ein jedes komplett eingerichtet mit Antiquitäten, etwa das « Tanten-Zimmer » mit Biedermeier-Möbeln oder die orientalische « Pascha-Suite » mit türkischen Säbeln als Wanddekoration. Überall knarrende Dielen, Ölschinken-Adelige, Kachelöfen. Und auch das eine oder andere Gespenst, wie der Schlossherr glaubhaft versichert. Telefon und Fernseher gibt es in keinem der Räume, Zimmerschlüssel auch nicht, dafür einen herrlichen Garten im verwunschenen Burghof, einen Art-déco-Pool und einen barocken Rittersaal, in dem die Burgherrin abends feine Regionalküche auftischt. Stimmungsvoller wohnt man im ganzen Burgenland nicht (Tel. 0043/3354/63 82).
ÖDENBURG (66 KM)
Auf dem Weg zur Grenze sollten Sie zunächst Raiding einen Besuch abstatten, wo Franz Liszt 1811 geboren wurde. Das Geburtshaus des Komponisten beherbergt heute ein herausgeputztes Museum. Bei Deutschkreuz queren Sie den ehemals Eisernen Vorhang, ein paar Minuten später sind Sie in Ödenburg (Ungarisch: Sopron). Der 60 000-Einwohner-Ort verfügt über den am besten erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern in ganz Ungarn, landesweit stehen nur in Budapest mehr Denkmäler als hier. Und tatsächlich: In den Gassen innerhalb des Altstadtrings ist ganz Ödenburg ein Museum, hier buhlen Barock, Gotik und Renaissance um die Wette. Bevor es zurück nach Österreich geht, ein Abstecher nach Piuszpuszta. Ganz in der Nähe dieses Fleckens wurde am 19. August 1989 Weltgeschichte geschrieben, als im Rahmen eines « paneuropäischen Picknicks » 665 DDR-Bürger über die befestigte Grenze in die Freiheit kletterten, unbehelligt von den ungarischen Grenzern. Keine drei Monate später fiel die Mauer in Berlin.
EISENSTADT (16 KM)
Weil Ödenburg bei Ungarn blieb, musste eine neue Hauptstadt her. Das Rennen machte Eisenstadt. Zwar zählt der Ort nur 11 000 Einwohner, beherbergt aber reichlich Hochkultur, nämlich das glanzvolle Schloss Esterházy, dessen Haydn-Saal über eine wunderbare Akustik verfügt. Im benachbarten Empire-Saal wurde am 28. September 1797 Haydns Kaiserlied uraufgeführt, dessen Melodie später zur deutschen Nationalhymne wurde. In Eisenstadt finden alljährlich die Haydn-Festspiele statt, in diesem Jahr vom 11. bis 21. September (Tel. 0043/2682/618 66, www.haydnfestival.at).
NEUSIEDLER SEE (40 KM)
Nicht weit entfernt, in Schützen am Gebirge, versteckt sich in einem so genannten Streckhof das kleine, feine « Taubenkogel », ein Gourmettempel der Extraklasse, der vom « Gault-Millau » mit 18 Hauben gekrönt wurde und demnach das beste Restaurant im Burgenland ist. Wer jemals die marinierte Gansleber mit Forelle und das gebratene Stubenhendl auf Paprika-Schwammerl-Bett probiert hat, wird sich dem Urteil voll und ganz anschließen. Wie praktisch, dass das « Taubenkogel » auch noch über acht edel ausgestattete Hotelzimmer verfügt - so ist das Haus ein idealer Ausgangspunkt zur Erkundung des Neusiedler Sees (Tel. 0043/2684/22 97).
An seinen Ufern kann man gut und gern mehrere Tage verbringen. Vorausgesetzt, man findet die Ufer, denn der Neusiedler See ist ein Gewässer auf dem Rückzug, er schrumpft kontinuierlich, während der Schilfgürtel immer breiter wird. Podersdorf hat als einziger Ort direkten Zugang zum maximal anderthalb Meter tiefen See und ist folglich mit Strand, Surfbrett- und Bootsverleih das beste Revier für Wassersportler. Für Naturfreunde ist der Seewinkel ein Mekka: Zwischen Schilf und Puszta hat sich eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt entwickelt. Über 300 Vogelarten sind hier zu Hause, darunter Störche, die allerdings vor allem auf den Dächern von Rust am Westufer des Sees wohnen. Rust hat zwar nur 1700 Einwohner, aber trotzdem Stadtrechte, die man sich 1681 mit dem schon damals berühmten Wein vom Kaiser erkaufte. Hervorragend ist der Ruster Wein noch heute, was eine Weinprobe im renommierten Weingut Feiler-Artinger beweist, das schon reichlich prominente Gäste bewirtete, darunter die Bundespräsidenten von Weizsäcker und Klestil sowie Weinpapst Hugh Johnson.
Österreichs Topwinzer Nummer eins, Alois Kracher, residiert in Illmitz. In der Weinbibel « Parker’s Wine Buyer’s Guide » ist er als einziger Österreicher vertreten. Wenn Sie wissen wollen, warum, fahren Sie hin. Sein Weinlaubenhof steht Besuchern zwar nicht offen, dafür aber die Ortsvinothek von Illmitz. Eine Verkostung von Krachers berühmten Süßweinen ist ein Fest für den Gaumen - ein Kracher im Wortsinn sozusagen.