Le ciel sur Allemagne est gris, il pleut beaucoup! On n’a vraiment pas d’envie de se promener au dehors.
Ainsi, je trouve le temps de recopier un texte de notre quotidien sur le « ß »:
« Scharfer Bauch » de Götz Thieme:
[i]Die Digitalisierung schreitet voran - und damit die Verschrumpelung der Welt, so der Eindruck. Der kleinste gemeinsame Verständigungsnenner im Binärzahlenbereich muss es sein. Varianz, lokale und kulturelle Spezialitäten haben ausgedient. Weil alle alles verstehen sollen, verkleinert auch die Sprache. Keine fremden Wörter bitte, keine seltsamen Zeichen.
Ausgerichtet an der Lingua franca, dem Englischen mit dem lateinischen Alphabet in Reinform, liebedienern andere Zungenschläge und Schrifttraditionen dem Versimpelungsgeist, entledigen sich ihrer Eigenarten. Diakritische Zeichen und Umlaute sterben den Artentod. Zirkumflex, Hatschek und Aktu verschwinden wie die Insekten, die einst nach scharfer Fahrt auf der sommerlichen Windschutzscheibe klebten. Die globale Kreditkarten-(Un-)Kultur stiehlt stolzen Besitzern den Umlaut in ihrem Namen, aus Jörg wird Joerg und aus Frau Häberle wird die Haeberle.
Der gemeine Deutsche heute hält ja wieder vermehrt auf nationale Werte, die ihn ununterscheidbar von Ausländern und anderem Gesocks machen. Ecco, hier ist einer: Im lateinischen Schriftsystem will es keiner sonst haben, das scharfe S oder Eszett, landsmannschaftlich Dreierles-S genannt sowie Doppel-, Buckel-, Ringel- oder Rucksack-S. Das hat die deutsche Schriftsprache exklusiv.
Dieser stimmlose S-Laut bietet, was Herkunft, satztechnische Realisierung und semantische Bedeutung betrifft, reichlichen Stoff für Sprachwissenschaftler und Typographen. Zusammengefasst: Das ß kennt man in der Antiqua-Schrifttype bald nach Einführung des Buchdrucks in Europa, erste ß-Ligaturen finden sich in Büchern und Drucken aus dem frühen 16. Jahrhundert.
Das Zusammenspiel von Schrift und gesprochener Sprache, ohnehin selten genug, ist beim ß ein Glücksfall. Ein Buchstabe verändert den Unterschied des Sinns ums Ganze. Würde Hans Magnus Enzensbergers (übrigens immer noch lesenswerter) Essayband mit dem Untertitel « Gesammelte Zerstreuungen » von 1988 allerdings in der Schweiz und nach dortiger Rechtschreibung erschienen sein, hieße er vor den Kopf stoßend: « Mittelmass und Wahn » - sinnleer wie ein Schweizer Käseloch. Mittelmaß. Aber dort, bei den Nachbarn, wird aus stoßend ja auch ein stossend. Nie war dieser Buchstabe als rückwirkend den vorangehenden Vokal dehnender wertvoller für Logik und unmittelbares Verständnis.
Den Deutschen ist also zu Recht das ß lieb und teuer, nur konnten sie es bislang nicht, wie eigentlich als Substantiv in diesem Satz erforderlich, großschreiben. Ansonsten war es nicht nötig - schon mal von einem Wort gehört, das mit ß beginnt? In Überschriften beispielsweise, die mit Majuskeln arbeiteten, übte man sich in Schweizerischer Praxis und setzte ein doppeltes S.
Nun gibt es seit einigen Monaten das Eszett in majestätischer Bauchigkeit, typographisch einem lädierten B nicht unähnlich, offiziell als Großbuchstaben; beglaubigt vom Rat für deutsche Rechtschreibung in Mannheim. Begründung: Das sei wichtig für die korrekte Schreibung in Pässen und Ausweisen. Bislang galt § 25 E3 des amtlichen Regelwerks, der bei Großschreibung eines ß ein Doppel-S vorsah.
Als Beispiel nahmen die Schreibregelwerker den Nachnamen Oßner. Stehe im Ausweis wegen Großschreibung ein Doppel-S, bleibe unklar, ob der Namensträger Ossner oder Oßner heiße. Ein unschlagbares Argument des obersten Orthographie-Gerichts, dessen Mitglieder aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, dem Fürstentum Liechtenstein, der autonomen Provinz Bozen-Südtirol und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens kommen. Die deutsche Kultusministerkonferenz und staatliche Stellen anderer betroffener Länder hatten den Neubuchstaben genehmigt - außer natürlich unsere ß-losen Freunde in der Schweiz und dem unscharfen Liechtenstein. Da bleibt der Fraß ein Frass.
Allerdings hatten die Behörden das Problem schon länger im Blick und waren pragmatisch dazu übergegangen, wo Versalien nötig, das ß im Namen einfach kleinzuschreiben: GROßMANN.
Für die Praxis geschriebener Sprache in Internet und Printmedien wird sich wohl wenig ändern, obwohl das große ß schon seit 2008 in den internationalen Schriftzeichen-Standards ISO und Unicode codiert ist. Denn es ist, etwa auf einem Microsoft-Word-Rechner, relativ umständlich, ein großes ß zu generieren - obwohl es die klassischen Typen wie Times New Roman, Verdana und Arial hergeben.
Die Umstelltaste genügt nicht: Da hilft nur die Tastenfolge 1e9e, danach gleichzeitig Alt und C gedrückt. Oder Alt gedrückt halten und im Ziffernblock 7838 eingeben. Ab der Version Windows 8 wird es unwesentlich einfacher: Shift- und AltGR-Taste gedrückt halten, dazu das ß. Wer macht das schon? Im Redaktionssystem unserer Zeitung übrigens ist das große ß nicht vorhanden.
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Source: Wochenende, das Magazin von Sonntag aktuell, 11./12. November 2017, page 12, « Stil und Leben »
Grand-Père